Authentizität ist ein Schimpfwort.
Sagt Harald Schmidt, der Entertainer.
"Das Schlimmste was man sein kann ist authentisch (...) Man hat eine Kunstfigur für sich zu entwickeln, vor allem im öffentlichen Raum, um den andern nicht auf den Nerv zu gehen."
Schmidt provoziert.
Dennoch stimme ich zu.
Nicht nur, weil mich manches Gebaren in der Öffentlichkeit stört.
Sondern auch, weil uns der Authentizitäts-Wahn im beruflichen Kontext in eine Falle lockt. Totale Aufrichtigkeit und Offenheit, ohne ein Gefühl für Takt und Zeitpunkt, für Kontext und Verkraftbarkeit, könne rücksichtslos und zerstörend sein, sagt Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun.
Deshalb stimme ich nicht ein in den Chor derer, die verkünden: "Sei du selbst, sei echt, sei authentisch."
Weil ich es selten für angebracht halte, mich selbst möglichst unverfälscht zum Ausdruck zu bringen und alles „herauszulassen“. Meine private Rolle unterscheidet sich von der beruflichen. Der gesellschaftliche Kontext prägt meine Kommunikation.
Ich bin selektiv authentisch.
Im Sinne der amerikanischen Psychologin Ruth Cohn: Sie unterschied eine maximale und eine optimale Authentizität: Erstere sei erstrebenswert sich selbst gegenüber, Letztere gegenüber dem anderen. Und optimale Authentizität sei immer selektiv.
Ihr Leitsatz:
„Nicht alles, was echt ist, will ich sagen, doch was ich sage, soll echt sein.“
Authentisch sein bedeutet für mich:
Was ich sage, soll mein eigenes Empfinden und Erleben repräsentieren. Doch das Gesagte muss auch der Situation angemessen sein.