Angriff oder Flucht. Das sind die zwei Szenarien, wie der Mensch auf Stress reagiert. Also auch auf verbale Angriffe. Entweder er schlägt gereizt zurück oder zieht sich in sein Schneckenhaus zurück. Eskalation oder Sprachlosigkeit. Doch es gibt einen dritten Weg: ruhig und gelassen bleiben und mit Köpfchen reagieren. Wie das geht? Aktivieren Sie den mentalen Schutzschild. Schlagfertigkeit ist erst mal gar nicht so wichtig.
«Warum hast du den Herrn Schulz gestern nicht zurückgerufen, der hat sich gerade vorhin schon wieder gemeldet», fragt die Arbeitskollegin scheinbar beiläufig aber irgendwie spitz, während Sie sich morgens hinter den Bürotisch setzen.
Zack. Der Stich sitzt. Sie haben scheinbar einen wichtigen Anruf versäumt, und die Kollegin massregelt Sie jetzt ganz zu Recht.
Meinen Sie zumindest. Und nehmen «die Schuld» sofort an. Jetzt spüren Sie, wie Ihnen das Blut in den Kopf steigt und Sie heisse Backen kriegen. Sie beginnen zu schwitzen und ihre Hände zittern. Die herbeigesehnte schlagfertige Antwort will Ihnen nicht einfallen. Ihr Kopf bleibt leer. Und Sie bleiben stumm und starten gequält in den Arbeitstag.
Oder starten Sie den Gegenschlag? Sie entgegnen ihrer Kollegin wie aus der Pistole geschossen: «Doch, ich habe gestern abend noch zwei Mal versucht, den Herrn Schulz anzurufen.» Und merken dabei gar nicht, wie Sie mit Ihrer vermeintlichen Schlagfertigkeit in die Rechtfertigungsfalle getappt sind und der Kollegin bloss weitere Gelegenheit liefern, an Ihnen herumzumäkeln.
Solche verbalen Angriffe kommen scheinbar harmlos daher, doch sie können einen leisen und zurückhaltenden Menschen ganz schön stressen.
Wie schaffen es Menschen, in einer solchen Situation ruhig Blut zu bewahren? Weder sofort agressiv oder im Rechtfertigungsmodus zurückzugeben noch stumm vor sich hin zu leiden? Sondern kühlen Kopf zu bewahren in einer heissen Situation?
Viele Menschen, die in heissen Situationen cool bleiben, schotten sich ab und ziehen einen «mentalen Schutzschild» hoch. Ein gedanklicher Aufprallschutz, der sie gegen verbale Angriffe schützt. Sie tragen diesen Schutzschild quasi virtuell vor sich her. Dadurch vermeiden Sie eine Panikreaktion und halten den Agressor auf Distanz.
Stellen Sie sich Ihren gedanklichen Schutzschild zum Beispiel als dickes Panzerglas vor. Stabil, unzerstörbar und undurchdringlich. Sie sind dahinter geschützt, wie die Schalterangestellte einer Bank. Sie nehmen zwar die Aussenwelt wahr, können alles sehen und hören, doch Sie sind hinter dem schützenden Glas in Sicherheit vor Attacken Ihrer Umgebung:
Ein blöder Spruch der Arbeitskollegin:
«Boing», prallt an Ihrem Schutzschild ab…
Die unqualifizierte Bemerkung einer gestressten Verkäuferin:
«Boing», ihr Schutzschild fängt sie ab…
«Boing». Das ist alles, was Sie hören…
Was auch immer an provokativen Sprüchen, Spott oder ironischen Bemerkungen unprofessioneller Arbeitskollegen auf Sie einprasselt: Hinter Ihrem Schutzschild treffen Sie die Launen und Stimmungen anderer nicht mehr. Sie lassen die Kläffer und Verbaltäter einfach nicht mehr an sich ran.
Denn warum sollten Sie auch? Was gehen Sie die Merkwürdigkeiten Ihrer Zeitgenossen an? Weshalb sollten Sie sich dieses geistigen Unrates annehmen? Ich wüsste jedenfalls keinen Grund.
Viel besser, Sie schützen sich und arbeiten gelassen und sicher in Ihrem eigenen Gefühls- und Gedankenraum hinter dickem (virtuellem) Panzerglas!
Dies ist eine sichere Verteidigungsstrategie, mit der Sie erstmal kühlen Kopf bewahren und Zeit gewinnen können. Im besten Fall wenden Sie sich einfach Ihren Plänen und Zielen zu, ohne sich mit dem Wortmüll anderer zu beschäftigen. Dadurch können Sie auch schwierige Gespräche viel besser meistern, wenn Sie die unsachlichen Äusserungen Ihres Gegenübers einfach ignorieren und abprallen lassen. Sie bleiben dadurch viel eher ruhig und konzentriert und Herr und Frau der Lage!
Und falls nötig, können Sie sich immer noch in aller Ruhe eine angemessene Antwort überlegen. Es gibt jedoch kein Gesetz, wonach das sofort sein muss… Nicht immer ist Schlagfertigkeit oberstes Gebot der Stunde.
Wenn Sie sich ebenfalls einen persönlichen Schutzschild gegen verbale Übeltäter zulegen möchten, dann gehen Sie wie folgt vor:
Fassen Sie den klaren Entschluss, sich inskünftig gegen verbale Attacken mit einem virtuellen Schutzschild zu verteidigen. Der Grundsatz dahinter heisst: «Mit mir nicht.» Fortan lassen Sie blöde Bemerkungen an sich abprallen.
Stellen Sie sich das Panzerglas vor Ihrem inneren Auge bewusst vor. Laufen Sie übungshalber durch die Wohnung und visualisieren Sie Ihren Schutz: Wohin Sie auch gehen, Sie tragen stets eine dicke Scheibe aus Panzerglas vor sich her. Selbstverständlich können Sie sich auch eine andere Schutzvorrichtung vorstellen, was besser zu Ihnen passt. Eine Käseglocke oder aber der Schutzschild des Raumschiffes Enterprise… egal, wählen Sie einfach ein Bild, dass Sie in Gedanken stets leicht abrufen können (Vielen Menschen hilft auch die Vorstellung einer stämmigen Eiche anstatt dem Panzerglas -, die tief verwurzelt und beweglich jeden Sturm übersteht.)
Für was Sie sich auch entscheiden: Hauptsache, es verleiht Ihnen das Gefühl eines geschützten Raumes, in welchem Sie auch ausserhalb Ihrer vier Wände ganz bei sich bleiben können. Der Schutz verleiht Ihnen Stabilität. Die Angriffe prallen ab und Sie bleiben fest mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Nichts kann Sie aus der Bahn werfen!
Wenn Sie sich nun das nächste Mal einer verbalen Attacke ausgesetzt sehen, aktivieren Sie sofort den geistigen Schutzschirm: Denken Sie an Ihr Bild des Panzerglases, der Eiche im Sturm oder was auch immer Ihnen hilft. Unterstützend können Sie sich auch einen Code ausdenken. Einen Satz, den Sie sich stets still und in Gedanken vorsagen: «Mit mir nicht» oder «Das trifft mich nicht» oder «Das lass ich beim anderen». Mit dem Code aktivieren Sie den Schutzschild!
Hilfreich ist es zudem, wenn Sie für die potentiell «gefährlichen» Situationen die richtigen «Antennen» entwickeln. Wenn Sie in einem Umfeld arbeiten, indem verbalen Attacken immer wieder vorkommen, dann seien Sie stets darauf gefasst.
Nicht schön, aber nötig. Halten Sie sich mögliche Situationen vor Augen und lernen Sie zu erkennen, wann das Gegenüber Grenzen überschreitet. So verringern Sie das Risiko, von einem verbalen Angriff überrumpelt zu werden.
Vielleicht kennen Sie Ihre Pappenheimer, vielleicht ist es stets der selbe Kollege, der Sie zum Ziel gewählt hat. Lassen Sie sich durch sein Verhalten nicht „einlullen“. Vielleicht gibt er sich ab und an ganz freundlich und zahm, um dann urplötzlich verbal zuzuschlagen. Seien Sie also auf der Hut!
Dies ist ein erster und hoffentlich auch für Sie hilfreicher Schritt, um sich erfolgreich zu wehren! Natürlich braucht es Übung und etwas Mut, die Technik in der Praxis anzuwenden. Und ich bin überzeugt, auch Sie können von dieser Methode profitieren!
Im Prinzip gibt es keinen Grund, sich auf unqualifizierte Bemerkungen, auf Sticheleien und blöde Sprüche von Arbeitskollegen einzulassen. Wenn auch Sie sich gegen die Launen der anderen wappnen möchten, dann entwickeln Sie einen unzerstörbaren Schutzschild und lassen die den verbalen Müll Ihrer Zeitgenossen fortan an sich abprallen.
Dadurch bleiben Sie in Ihrer Mitte ausbalanciert und geben Ihren persönlichen Plänen und Zielen Priorität. Ausserdem gewinnen Sie Zeit, wenn Sie einen kühlen Kopf bewahren: Sie können dann immer noch angemessen antworten, wenn Ihnen das wichtig erscheint. Sofort und schlagfertig zu reagieren ist nicht à priori zwingend.